Interviews Diorthosi -- DVCPRO HD, Redrock und Co

Diorthosi -- DVCPRO HD, Redrock und Co

Kürzlich ist die Berlinale zu Ende gegangen, wo wie immer viel Digitales im Programm vertreten war. Einige Filme stachen dabei besonders heraus, beispielsweise waren wir von der Bildqualität des auf DVCPRO HD gedrehten Films Diorthosi (Correction) ziemlich beeindruckt - ein Interview mit dem Regisseur Thanos Anastopoulos bot sich also an. Im Folgenden also unser Gespräch über das bandlose Drehen, die Kunst der Schärfeverlagerung und zu kleine Vorschaumonitore...

// 13:39 Do, 21. Feb 2008von

Kürzlich ist die Berlinale zu Ende gegangen, wo wie immer viel Digitales im Programm vertreten war. Einige Filme stachen dabei besonders heraus, beispielsweise waren wir von der Bildqualität des auf DVCPRO HD gedrehten Films Diorthosi (Correction) ziemlich beeindruckt - ein Interview mit dem Regisseur Thanos Anastopoulos bot sich also an. Er hat sein Filmhandwerk übrigens u.a. als Assistent von Theo Angelopoulos, einem der ganz großen des Kinos gelernt – aber das ist eine andere Geschichte ... Im Folgenden also unser Gespräch über das bandlose Drehen, die Kunst der Schärfeverlagerung und zu kleine Vorschaumonitore.



Diorthosi -- DVCPRO HD, Redrock und Co : foto1


// Der Film wurde auf DVCPRO HD gedreht – war das Format neu für Dich?



Dieses spezielle Format ja. Aber nach meinem ersten Kurzfilm, den ich noch auf 35mm gedreht hatte, das war Ende der 80er, habe ich miterlebt wie es losging mit Computergrafik und digitalen Medien, und da sagte ich mir: OK, das wars. Seitdem habe ich nur noch digital gedreht, von Hi8 bis HD.


Ich kann verstehen, daß es Leute gibt, die sagen Film ist das Tollste, aber es ist einfach vorbei. Vinyl ist auch toll, aber das ist auch vorbei. Man kann dorthin zurückgehen, wenn man eine ganz bestimmte Ästhetik haben will mit dem Feeling und den Nuancen von Film. Aber was den Rest betrifft – sogar die Majors bevorzugen heute digitale Formate...



// Warum habt ihr ausgerechnet mit der HVX200 gedreht? War das nicht unpraktisch unterwegs mit den P2-Karten, die nur begrenzte Kapazitäten haben?



Nein, wir hatten 3 Karten à 8 GB. Man kann diese dann ja bei laufendem Betrieb untereinander auswechseln, also so, daß immer eine aufzeichnet, während man die Daten von der vollen überspielt. Aber bei diesem Film war es nochmal anders. Eine der Qualitäten von Film ist es ja, daß man ganz bewußt wählen muß, was man aufnimmt. Bei Tape dagegen drückt man einfach auf den Knopf und läßt es laufen, und entscheidet dann im Schnitt was man damit macht. Weil wir nur eine relativ kurze Drehzeit hatten von einem Monat, wollten wir sehr konzentriert arbeiten. Durch die Aufnahme auf die SD-Karten wußten wir: wir haben nur 7 Minuten, lasst uns mal innehalten und überlegen, ob wir wirklich auf Record drücken oder nicht. Und das hilft, es bringt einen zurück zur Moral des Filmemachens.



// Also ein analoges Moment, daß wieder zurückkommt?



Ja, genau. Ich mochte es allerdings sehr, daß man nichts digitaliseren mußte, nicht loggen und so.


Es war aber trotzdem ein bißchen riskant, vor uns hat das in Griechenland noch niemand gemacht. Mit dieser Kamera einen Spielfilm gedreht, oder einen 35mm Adapter verwendet, außer für kurze Musik- oder Werbeclips. Man hat uns für verrückt erklärt.



Diorthosi -- DVCPRO HD, Redrock und Co : still1




// Es wird sehr wenig in Deinem Film gesprochen. War das von anfang an so geplant, daß es so wenig Dialog geben sollte?



Nein, wir haben mehr Dialoge aufgenommen, als jetzt im Film zu sehen ist, einiges davon geschrieben, aber viel auch improvisiert. Im Schnitt haben wir aber gemerkt, daß wir schon alles da hatten, nur durch die Perspektive des Protagonisten. Die Dialoge hätten zuviel erklärt. Also haben wir es rausgenommen



// Eine andere, erzähltechnisch sehr wichtige Sache ist die geringe Schärfentiefe.



Das war von Anfang an so geplant. Das hat vor allem damit zu tun, daß ich in den Straßen Athens drehen wollte – ein Athen, daß man selten im griechischen Kino sieht.


Für mich ist der einzige Nachteil mit Video diese enorme Schärfentiefe, die man bekommt, und das war bei diesem Film ein echtes Problem. Athen ist eine sehr chaotische Stadt, und wenn man da mit einer DV-Kamera hingeht, hat man alles im Bild. In gewisser Hinsicht kann man dann als Betrachter gar nicht fokussieren, weil immer irgendwo etwas passiert im Bild. Ich wollte aber spezifisch die Sicht des Protagonisten zeigen, ein Mann der aus dem Gefängnis kommt, das ist sehr subjektiv und selektiv. Wir hatten das Gefühl, wir müssen irgendetwas finden, um mit der Schärfentiefe umzugehen. Da gibt es den superteuren Weg -- 35mm Film --, die mittelteure Variante – HDCAM, immer noch zu teuer für uns --, und dann gibt es den Guerilla-Style. Das war unser Weg.


Zwei Monate habe ich im Netz recherchiert und mich nach 35mm-Adaptern umgesehen. Angefangen haben wir dann mit dem von P+S Technik, davon gab es ein Exemplar in Athen, damit haben wir gedreht. Ich mochte den Feel, aber er war für uns immer noch zu teuer. Schließlich sind wir dann auf den Redrock M2 Adapter in den USA gestoßen, der mit 2500 Euro mehr unserem Budget entsprach, und haben beschlossen ihn zu kaufen, ohne ihn ein einziges mal zu testen. Nur nach den Testshots die wir im Netz gesehen hatten.


Dann haben wir alle Photoobjektive in unserem Freundeskreis ausgeliehen, um das lichtstärkste zu finden, denn man verliert etwa eine Blendenstufe durch den Adapter. So sind wir beinahe immer ohne zusätzliches Licht ausgekommen.



Diorthosi -- DVCPRO HD, Redrock und Co : still2


// Ihr habt ja sehr bewußt mit der Schärfentiefe und Fokusverlagerungen gearbeitet. Gab es einen Fokuspuller?



Ja, und der hatte viel zu tun. Wenn ich drehe, dann möchte ich immer eintauchen in eine Situation. Beispielsweise als wir in dem Tages-Center für Obdachlose gedreht haben, dort haben wir die Menschen um Erlaubnis gebeten, sie zu filmen, und manche waren einverstanden. Denen kann man dann nicht sagen, tu das, dreh dich nach links und so. Das wäre schon aus moralischen Gründen nicht ok für mich. Und so haben wir unseren Hauptdarsteller Yorgos da hineingeschickt und auf Momente der Interaktion gewartet. Es gab da einen Trick mit unserem Fokuspuller. Wenn ich ihm einmal auf die Schulter klopfe, heißt das Fokus auf Yorgos, zweimal Fokus auf Hintergrund. Und so habe ich ihm ständig auf die Schulter gehaun, das war meine Art Regie zu führen. Nicht die Darsteller habe ich da dirigiert, sondern den Fokuspuller.



// Und der hat dann die Entfernung immer geschätzt?



Er ist sehr gut. Er war lange Assistent und mittlerweile macht er eigene Filme, und es war eigentlich ziemlich unhöflich von mir ihn zu bitten, das nochmal zu machen. Aber weil es eben eine recht kreative Arbeit war, ging das in Ordnung. Er hat tatsächlich nie auf die Entfernung geschaut, sondern immer nur auf die Action, per Intuition. Sein Gefühl für den Fokus ist in den Film eingeflossen.



// Geschnitten wurde auf einem Powerbook mit Final Cut. Wieviel Material hattet ihr denn?



Nun, im Script waren 100 Szenen angesetzt, gedreht haben wir dann etwa 150. Die erste Fassung war auch 20 Minuten länger als jetzt. Der Film war fertig, aber ich war nicht glücklich damit. Irgendwas hat gefehlt, aber ich kam nicht drauf was. Das Ganze war mir, ich will nicht sagen zu konservativ... sagen wir zu vorhersagbar. Nach einer Woche habe ich zu meinem Cutter gesagt: Laß uns was Radikales machen. Dann habe ich ca. 25 Minuten einfach so rausgeschnitten – schmeiß das raus, und das, und so weiter. Weg damit. Aber ohne groß nachzudenken oder zu diskutieren. Danach hat der Film dann plötzlich geatmet. Ein paar Minuten haben wir danach wieder reingetan, aber an anderen Stellen als vorher. Und das wars dann.



// Das Colorgrading habt ihr dann mit Color von Apple gemacht, bevor es an den Faz ging. Wurden da Testprints gemacht?



Ja. Der HD-Master des Films sieht tatsächlich ziemlich anders aus als der Print. Dieser ist eigentlich ungefähr so geworden wie ich es mir vorgestellt hatte, allerdings hätte ich gerne etwas mehr Farbe gehabt. Der Print ist ziemlich entsättigt. Das war zwar auch so geplant, aber besonders die Rottöne wollte ich eigentlich noch stärker erhalten, da doch einige wichtige Details im Film rot sind.





Als wir den allerersten Print angeschaut haben, stellten wir fest, daß wir nicht genug Schwärze hatten, da war wohl was schiefgelaufen beim Transfer. Wir beschlossen, der Print zu bleichen, so bekommt man mehr Schwärze aber auch weniger Sättigung in den Farben. Wir haben da recht viel getestet um diesen Kompromiß zu finden. Aber bei diesem Prozeß läuft es immer auf einen Kompromiß hinaus.



// Es trägt jedenfalls zu einem filmischen Look bei.



Für mich ist es eigentlich gar nicht wichtig, ob ein Film nun auf Video oder auf Film gedreht ist. Ist es ein guter Film oder ein schlechter, darum sollte es doch an erster Stelle gehen. Und dann kann man immer noch fragen, ist das jetzt Video und wie wurde es gemacht, usw.



Diorthosi -- DVCPRO HD, Redrock und Co : foto2


// Wie sieht es mit dem Budget aus? Was war das teuerste? Colorgrading, der Print..?



Schwierige Frage. An sich war es ein sehr billiger Film, ich traue mich gar nicht zu sagen, wieviel er gekostet hat. Dabei haben alle Geld bekommen, zwar nicht viel, aber immerhin. Und die Transfer-Leute haben das als Showcase benützt und haben uns einen super Preis gemacht.


Ich glaube, das teuerste war tatsächlich der letzte Shot, bei dem wir einen Kran eingesetzt haben, das war der Luxus in diesem Film.



// Zu Beginn der DV-Revolution hat man ja immer gesagt, man muß viel Nahaufnahmen machen und Totalen eher meiden, um das meiste aus der Bildqualität rauszuholen. Hier ist die Kameraarbeit so ähnlich, ist das beabsichtigt?



Ja, stimmt schon, wir sind recht nah... Das hat mehrere Gründe. Wenn man viel mit extremen Weitwinkel-Objektiven, unter 28er, arbeitet, bekommt man schnell Vignettierungen. Mehr als mir lieb war, daher haben wir nur bei wenigen Shots sehr weitwinklig gearbeitet. Außerdem ist da der Monitor, den man beim Drehen verwendet: wir hatten einen 8-Zoller, und bei so einem kleinen tendiert man unbewußt dazu, näher ranzugehen, um mehr zu sehen. Hätte ich damals gewußt, daß der Film auf diesen großen Kinoleinwänden laufen wird, hätte ich die Kamera mindestens 3 Meter weiter zurück gestellt. Das wäre in einem Drittel der Szenen etwas schöner gewesen



// Hast Du sowas wie eine Lieblingsbrennweite?



Nein, eigentlich nicht, aber wenn dann eher ca 35er, nah an der menschlichen Perspektive. Wobei wir aber viel im Telebereich gedreht haben, wegen der Schärfentiefe.


Aber ich finde eher, daß man sich als Filmemacher diskret im Hintergrund halten und nicht zu viel betont mit den Brennweiten rumspielen sollte.



Diorthosi -- DVCPRO HD, Redrock und Co : still3


// Die Locations sind sehr wichtig im Film. Wurden die bewußt ausgewählt, und habt ihr etwas verändert, Graffities oder so?



Für mich sind die Locations etwa gleichwichtig wie die Schauspieler. Alle Schauplätze sind also sehr bewußt gewählt. Es gibt einfach Plätze, die sind passend für eine Geschichte und andere sind es nicht. Verändert haben wir nichts, außer in der Wohnung.



// Nicht mal in der Szene mit dem Protagonisten, neben dem am Boden ein großer roter Fleck ist?



Nein, es ist ein echter, getrockneter Blutfleck, wir haben ihn gefunden. Als ich ihn gesehen habe, wußte ich, hier müssen wir jetzt drehen. Im echten Leben findet man die Details, die ein Bild vervollständigen, und zwar viel passender als man es sich ausdenken kann.







[Das Interview führten Robert Löved-Lößl und Heidi Enzian; Fotos von slashCAM, Film Stills aus „Diorthosi“ ]




Filminfos:



Diorthosi (Correction)


R: Thanos Anastopoulos


Land: Griechenland 2007


Drehformat: DVCPRO HD


Format: 35mm, Farbe


Länge: 83 Minuten


Sprache: Griechisch, Albanisch



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