Blende + Verschlusszeit = Belichtung
Alle Camcorder bieten einen automatischen Belichtungsmodus, der in Standardsituationen meist gute Ergebnisse liefert. Allerdings gibt es auch viele Lichtsituationen, in denen er zwangsläufig versagen muss. Dies zumindest aus bildästhetischer Sicht, denn natürlich macht die Automatik immer noch gewissenhaft ihren Job, nur kommen dabei nicht die Bilder heraus, die man sich wünscht. Doch schauen wir zunächst einmal, was bei der Belichtung eigentlich passiert.
Unter Belichtung versteht man das Zusammenspiel von Blendenöffnung (f-stop) und Verschlusszeit (t). Beide stehen für eine ausgewogene Belichtung miteinander in Beziehung, da beide die Menge an Licht regeln, mit der ein Bild belichtet wird. Je weiter die Blende geöffnet ist, desto mehr Licht dringt durch das Objektiv auf das bildwandelnde Element im Camcorder, den CCD (vergleichbar mit dem Filmnegativ bei herkömmlichen Fotoapparaten). Bei Aufnahmen in einer dunklen Umgebung wird man die Blende also möglichst weit öffnen – Blende 1.4 oder 2. Ist es dagegen sehr hell, wird die Blende heruntergeregelt, etwa auf 11. Je größer der Wert, desto kleiner ist die Öffnung, was anfangs verwirren kann. Der Wert setzt den Durchmesser der Öffnung in ein Verhältnis zur Länge des Objektives, ist also immer eine relative Größenangabe, und wird deshalb nicht in Millimetern angegeben.
Die zweite Größe, die bei der Belichtung eine Rolle spielt, ist die Verschlusszeit, also wie lange jedes Bild belichtet wird (engl. Shutter). Bei DV-Kameras ist damit gemeint, wie lange der CCD pro Bild den Lichteinfall misst. Da bei digitalem Video standardmäßig 50 Halbbilder pro Sekunde aufgenommen werden, ist die natürliche Verschlusszeit hier 1/50. Es ist natürlich möglich, eine kürzere Verschlusszeit zu wählen, etwa 1/100 oder ein 1/500, eine längere jedoch lässt sich bei einfacheren Modellen nicht erzielen. Nur eher professionelle Kameras wie zum Beispiel die Sony PD-150 sind durch komplizierte Rechenoperationen in der Lage, eine längere Verschlusszeit zu simulieren.
Da Blende und Verschlusszeit gemeinsam die Belichtung regeln, kann in einer Situation dasselbe Belichtungsergebnis mit unterschiedlichen Blenden- und Shutterwerten erreicht werden. Ob mit kleiner Blendenöffnung und langer Verschlusszeit (Blende 11, Verschlusszeit 1/115) oder mit großer Blende und kurzer Verschlusszeit (2, 1/10000) gearbeitet wird: die Menge Licht, die auf den CCD fällt bleibt gleich. Die Wahl des Blenden-Verschlusszeitenpaares wirkt sich jedoch durchaus sichtbar auf andere Faktoren aus, nämlich auf den Grad der Bewegungsunschärfe, die von der Verschlusszeit abhängig ist, und die Schärfentiefe, die vornehmlich über die Blende geregelt wird. Letztere stellt ein wichtiges gestalterisches Mittel dar, weil durch den Unterschied zwischen Schärfe und Unschärfe bestimmte Bildinhalte betont werden können. Wir werden darauf genauer eingehen, wenn wir in einem der nächsten Artikel auf das Thema Fokus und Schärfe zu sprechen kommen. Hier sei nur ein Hinweis für die Praxis vorausgeschickt: Je größer die Blendenöffnung (Blende 2 etc.), desto geringer die Schärfentiefe; je kleiner die Öffnung (Blende 11 etc.), desto größere Schärfentiefe.
Was die Bewegungsunschärfe betrifft, so gilt: je länger die Belichtungszeit, desto verwischter erscheinen die Bewegungen im Bild. Möchte man Einzelbilder aus seinen Videoaufnahmen ausspielen, etwa um sie in einem Bildbearbeitungsprogramm zu manipulieren, sollte man eine eher kurze Belichtungszeit wählen, zumindest wenn die Bilder gestochen scharf sein sollen. Unsere Abbildung 2 zeigt Stills aus zwei Aufnahmen, die mit unterschiedlich langer Verschlusszeit gemacht wurden: deutlich ist hier zu sehen, wie der Zug in 2a gestochen scharf abgebildet ist (Shutter 1/10000), während er in 2b verschwommen erscheint (Shutter 1/6)– obwohl die Züge gleich schnell fuhren.